POET NR. 04 INHALT COVER ORDERN ET CETERA

  David Lerner

Was willst du?
für Phillip Deitch

was willst du?

willst du 3,2 stück reinrassige hunde und
eine 19-prozentige hypothek
auf 20 äcker vergifteter boden?

was willst du?

willst du fachliteratur für den weg
zu den schicken bezahltoiletten der Greater Bay Area?
ein fernstudium darin, wie man
mit gewöhnlichen haushaltsgeräten
auf vierzehn verschiedene arten einen mord begehen kann?
den Großen Amerikanischen Selbstmorderlass?

was willst du?

einen backstage-pass bei der beerdigung eines promis?
3 shell-konzerne auf den Kaimaninseln, um
deine spekulationsgelder
zu waschen in essbarer unterwäsche?
eine blondine mit elektronisch stabilisierten titten, die
auf kommando stöhnt und
ihren eigenen lipgloss sekretiert?

was treibt dich um?

bist du ein autobahn-unfall-spezi?
sammelst du fingerabdrücke von rockstars?
tauchst du an wochenenden in der kanalisation?

gefällt es dir

deine partnerin an ein golfplatztrolley zu fesseln
und sie am 19ten loch zu ficken?

gefällt es dir

geraspeltes eis über ihren leib zu schütten
und gemeinsam kalt zu werden?

eine aus narben bestehende maske zu leihen und
im neumond tanzen zu gehen – und die verspiegelten
sonnenbrillen all der anderen kotzen dich an?

willst du

für jeden tag der woche einen anderen wagen haben und
doch nie damit fahren, außer zu exekutionen?

willst du

ein sommerhaus aus den knochen und zähnen von
jedem, den du je als kind aus deiner
spielzeugfabrik gefeuert hast?

willst du

einen dreiminutensong schreiben mit 12 ohrwurmansätzen pro
sekunde, der jeden zuhörer 15 minuten lang
einschlafen lässt?

was willst du?

willst du

dass die obdachlosen gelbe sterne tragen?

willst du

ihnen erklären, dass
eiweiß nicht so wichtig ist wie
eine saubere einstellung?

von ganzem herzen glauben, dass deine kinder
in den Irak ziehen müssen und an giftgas
ersticken, damit der liter sprit ein paar
cent billiger wird: für den weg in den
supermarkt, um ein paar tampons
zu kaufen und einen glasierten
donut?

was brauchst du?

brauchst du ein 17tes badezimmer mit panoramafenster
auf ein krematorium, das die aschen all derer rausbläst, die
je infiziert wurden vom kontaminierten dollar
und einem händedruck wie von androiden oder dem klebrigen
schwall christlichen mitgefühls?

musst du das: alles vergessen, was du je in der schule gelernt hast,
außer wie verhasst es dir war?

musst du das:
deinen nächsten urlaub in der irrenanstalt verbringen mit
einem 300-pfund-genie, das nie badet, das
dir ins ohr winselt, Jesus habe ihm
seine besten zeilen gestohlen und es selbst könne
aus zahnstochern und rasierklingen einen
interstellaren raumkreuzer bauen und wenn
du ihm nur für 30 sekunden in die augen schauen würdest
könnte es ein gutes wort für dich einlegen
wenn sich am letzten frühlingstag die 4 reiter zeigen, schlamm
an den stiefeln, im angebot freundschaft und cyankali?

oder musst du
trotz einem platten reifen
die straße halten

pausenlos träumend von einer
abschüssigen strecke und

musst du vielleicht eine elektroblondine an marsmenschen verkaufen
und dein geld in verzweifelte gebete investieren – weil es
die einzige sichere sache scheint und
auf kurs mit Gott – oder was dir sonst so in den kopf kommt,
hör auf, an irgend etwas zu glauben außer an das, was
heller flammt als terror,
das, worauf man sich niemals verlassen kann
das ist der einzige weg nach hause zurück


Übersetzung: Ron Winkler

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David Lerner, wurde 1951 in New York City geboren. Er war als Journalist tätig und Mitbegründer des Verlags Zeitgeist Press. Vier Gedichtbände sind von ihm erschienen, darunter Pray Like the Hunted (Zeitgeist Press, 1992) und The Last Five Miles to Grace (Zeitgeist Press, postum). David Lerner starb 1997 an einer Überdosis Heroin.

David Lerner | Foto: Dave Kern
 
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